←back to Blog

Uh, ein #onlineBarcamp! Wie geht das (aktuell)?

Die Idee, ausschliesslich online (aka «digital») Workshops, Treffen und Tagungen zu veranstalten, ist wahrscheinlich so alt wie das Internet, mindestens wie das WWW. In den letzten Monaten bekomme ich aber erst den Eindruck, dass Medien langsam so in der Breite ankommen (und vor allem: die Technik so niedrigschwellig ist), dass das mit einem Publikum ohne besondere Vorkenntnisse möglich wird.

Aber wie immer in der Pädagogik: Es kommt drauf an, wie mensch es macht. Letzte Woche habe ich am #onlineBarcamp zu Jugendarbeit und (digitaler) Mitbestimmung [Doku mit allen Links/Infos hier] teilgenommen/teilgegeben und dabei viele Dinge gelernt, die es zu beachten gilt bzw. die zu einer gelungenen Veranstaltung beitragen (denn das #onlineBarcamp war gelungen) – und schreibe mal meine Eindrücke auf.

Vorher

Wie bei einem normalen Barcamp ist es wichtig, eine gemeinsame Dynamik anzustossen. Eine Kaskade von Info-eMails ist auch bei einem OnlineBarcamp gut, um die Teilnehmenden auf die Veranstaltung einzustimmen und punktgenau mit Infos/ToDos zu versorgen.

Schon öfter habe ich Selbstvorstellungen im Vorfeld via Padlet erlebt, das hat auch dieses Mal gut funktioniert. Zudem gabs zum onlineBarcamp eine Videokonferenz zum Technikcheck ca. eine Woche vorher. Das hilft dabei, technische Hürden bei einzelnen Teilnehmenden zu nehmen bzw. die Teilnahmeschwelle zu senken.

Das Setting

Eines meiner grössten Aha-Erlebnisse: Ganz wichtig ist, bei den Teilnehmenden das Gefühl eines gemeinsamen Raums herzustellen. Zentral dabei ist die Echtzeitkommunikation an alle – wie bei einem normalen Barcamp müssen hin und wieder alle an das gemeinsame Treffen erinnert/zusammengerufen werden. Bei einem OnlineBarcamp ist das umso wichtiger, weil alle nur einen Klick vom anderen Ende der Welt entfernt sind.
In unserem Fall ist das über die Videokonferenz-Software passiert: Zoom kann Gruppenräume (so genannte Breakout-Sessions) herstellen, deren Teilnehmenden nach einer vorgegebenen Zeit wieder im Hauptmeeting sind. Funktioniert super, hat aber auch Nachteile (siehe «weiterführende Gedanken»).

Wichtig für das Setting ist natürlich vor allem das Videokonferenztool. Bei einer so grossen Zahl von Teilnehmenden gehen viele Tools in die Knie. Verschiedene Stimmen melden übereinstimmend, dass Zoom momentan die erste Wahl ist. Im vorliegenden Fall hat sich das durch hohe Stabilität bewahrheitet.
David Röthler hat beim Barcamp noch auf Sococo hingewiesen. Das ist ebenso proprietär/kostenpflichtig, die Visualisierungen sehen aber sehr vielversprechend und hilfreich aus.

Weitere Spezialitäten beim Setting waren aus meiner Sicht:

  • Es stellt sich die Frage, wie die einzelnen Konponenten eines Barcamps «digitalisiert» werden können – im Grunde also die nach ergänzenden Tools. Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass mit einfachen Angeboten (etwa einem Etherpad) viel gelöst werden kann. Schön fand ich aber noch die Sessionplanung mit Mural. Dort lassen sich nämlich zB. Punkte kleben, um ein Stimmungsbild zu bekommen. Lässt sich auch anders lösen, ist aber eine Idee.
  • Schön fand ich das moderierte/gestaltete Ankommen. Ich wurde beim Betreten der Videokonferenz per Name willkommen geheissen; anschliessend folgten kleine (4er-)Plauderrunden zum Kennenlernen. Das hat für gute Stimmung gesorgt.
  • Kurze Sessions (30 Minuten) waren zumindest diesmal passend und sind auch grundsätzlich aus meiner Sicht eine gute Idee, weil die Konzentration mit der Zeit bei nur-online nachlässt.
  • Überhaupt war die Kürze der Veranstaltung (3 Stunden) dem nur-online-Setting angemessen.
  • Eine «richtige» (also vom Bildschirm weggehen) Pause war aus meiner Sicht auch hilfreich für die Konzentration bis zum Schluss. Auch wenn sich dennoch vereinzelt während der Pause Plauderrunden gebildet haben (siehe auch «weiterführende Gedanken»).

Kniffe

Am Ende sind es immer die Kleinigkeiten, die die Qualität einer Veranstaltung ausmachen. Mir sind aufgefallen:

  • Die Tonqualität der Moderation war besonders gut gestaltet (externes Mikro, Poppschutz).
  • Das hat auch zusätzlich die gelungene Gestaltung von Ankommen und Pausen unterstrichen.
  • Schön (und hilfreich) fand ich, die Teilnehmenden immer mit Namen anzusprechen: beim Willkommen, bei Kennenlernrunde, bei Sessionvergabe, bei Diskussionen.
  • Die Sessionvergabe ist aus genannten Gründen hier recht restriktiv abgelaufen (die Zuteilung in die Breakout-Sessions von Zoom findet manuell durch den/die Meetingveranstalter_in statt). Das hat letztlich gut funktioniert, ist aber ein Knackpunkt (s.u.).
  • Eine Frage, die bei mir offen geblieben ist, ist ob zwei Computer und/oder zwei Menschen bei Moderation erforderlich oder hilfreich sind? Im vorliegenden Fall war nur ein Mensch in der Moderation.

Weiterführende Gedanken

Das vorliegende Setting mit Zoom hat gut funktioniert, aber bei mir ein unrundes Gefühl zurückgelassen: Ich habe mich sehr geführt gefühlt, auch wenn wir gemeinsam die Inhalte bestimmt haben und ich wie gewohnt die Sessions eigentlich frei wählen und auch wieder verlassen konnte.

Schöner bzw. zur Barcamp-Idee passender wäre aus meiner Sicht mehr Freiheit bei der «technischen» Session-Wahl (also dem Betreten/Verlassen der Sessions). Also zB. ein Sessionplan mit Links zu Konferenzräumen, die die Teilnehmenden anklicken und auch wieder verlassen können.

Ebenso wären dezidierte Pausenräume sicher für einzelne Teilnehmende schön. So haben wir uns teilweise im Plenum unterhalten, was ok war, aber bei mir das Gefühl von Smalltalk auf der Bühne mit eingeschaltetem Mikro hinterliess. 🙂

Die Entscheidung zwischen diesen Optionen hängt wahrscheinlich vom Zielpublikum ab. Bei affineren Teilnehmenden kann mensch experimenteller und damit freier arbeiten; wenn das Barcamp bei einem Durchschnittspublikum gut über die Bühne gehen soll, dann ist das etwas restriktivere Setting wahrscheinlich besser.

Insgesamt war das #onlineBarcamp eine schöne und inspirierende Erfahrung. Ich bin gespannt, wann ich die Erfahrungen in eigene Praxis umsetzen kann.

Und sonst?

Was habe ich vergessen? Was sind Ihre Empfehlungen für ein onlineBarcamp? Was würden Sie anders machen? Ich freue mich über Ergänzungen in den Kommentaren!

Update

Die Diskussion über Online-Formate ist in verschiedenen Blogs weitergeführt worden. Hier gibt es Ergänzungen und weitere Tipps:

3 Antworten zu «Uh, ein #onlineBarcamp! Wie geht das (aktuell)?»

  1. Tipps für gute Webinare und Online-Barcamps | Medienpädagogik Praxis-Blog

    […] und daraus abgeleiteten Empfehlungen für Veranstalter*innen hat Eike Rösch in einem Blogbeitrag zusammengestellt. Er betont u.a. die Bedeutung des gemeinsamen virtuellen Raumes und gibt weitere […]

  2. Analoge Bildungsformate im digitalen Raum – Ideen für eine sinnvolle Umsetzung – Erwachsenenbildung-EKHN.blog

    […] der gemeinsam mit wienXtra ein solches organisierte. Diese Erfahrungen sowie die Rückmeldungen von Dr. Eike Rösch haben für uns den notwendigen Input geliefert, im April das Barcamp Bildung-Digital in den […]

  3. Analoge Bildungsformate im digitalen Raum – Ideen für eine sinnvolle Umsetzung – Erwachsenenbildung.digital

    […] der gemeinsam mit wienXtra ein solches organisierte. Diese Erfahrungen sowie die Rückmeldungen von Dr. Eike Rösch haben für uns den notwendigen Input geliefert, im April das Barcamp Bildung-Digital in den […]

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert